“Ich möchte meine Schwaechen ausmerzen.”
Das ist eine der häufigsten Antworten bei der Frage nach dem Ziel zu Beginn eines Coachings. Erstmal lässt sich gegen diese edle Absicht nichts sagen. Zwar ist es im Allgemein produktiver den eigenen Blick auf die individuellen Stärken zu lenken, doch ist zunächst nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand “besser” werden möchte.
Allerdings liegt diesem Denken häufig eine Vorstellung zugrunde, dass es irgendwo ein “perfektes Ich” gibt, ein Ich, das alles kann, was ich jetzt noch nicht kann, das beispielsweise so großartig aussieht, wie ich es jetzt noch nicht tue, das so schlagfertig und eloquent ist, wie ich es jetzt noch nicht bin, und und und … Dieses “perfekte Ich” gibt es nur in meiner Vorstellung. Es wurde eingepflanzt von Eltern, Lehrern, Kindermädchen, Medien oder anderen Instanzen, die “nur mein bestes” wollten und vielleicht noch immer wollen. Ich möchte hier nicht ihre gute Absicht in Frage stellen, allerdings möchte ich diesem Vorgehen ganz dezidiert die Sinnhaftigkeit absprechen. Es bewirkt nämlich das genaue Gegenteil von dem, was im besten Falle beabsichtigt war: Es sorgt dafür, dass ich immer ein defizitäres Gefühl mit mir herumschleppe, dass ich mich immer minderwertig fühle, und es unterminiert meine Selbstsicherheit und mein Selbstwertgefühl. Was Sie vor sich sehen, wenn Sie jetzt in den Spiegel schauen, ist Ihr “perfektes Ich”. Ein besseres gibt es zur Zeit nicht und deswegen sind Sie jetzt perfekt, mit all Ihren vermeintlichen oder echten “Fehlern”.
Natürlich gibt es Fertigkeiten und Techniken, die sich jedeR, der/die sich dafür interessiert, aneignen und darin immer besser werden kann. Doch was passiert, wenn ich alle meine vermeintlichen “Schwächen” ausgemerzt habe? Bin ich dann nicht einfach nur glatt gebügelter Durchschnitt? Kann es sein, dass die Eigenheit, die ich als “Schwäche” ansehe, genau meinen Charme ausmacht, meine individuelle Note? An welche Redner oder Präsentatoren erinnern Sie sich noch am besten? Es sind die “Schwächen” bei den Anderen, die unser Herz ansprechen. Dabei geht es nicht um Mitleid, sondern um die erfreuliche Erkenntnis, dass andere genau so unvollkommen sind, wie wir. Das erleben wir als grosse Erleichterung und sind dem Auslöser dieser Erkenntnis dankbar.
Viel wichtiger, als eine gerade Nase, eine volle Stimme oder druckreife Formulierungen ist die Selbstakzeptanz. Sie ist die Voraussetzung für erfolgreiches Reden. Sich selbst mit allen vermeintlichen “Fehlern und Schwaechen” zu akzeptieren, mag für viele Menschen eine Herausforderung sein, doch nur mit dieser Selbstakzeptanz kann ich meine Meinung, meine Ideen und Vorstellungen überzeugend vermitteln. Auf dieser Grundlage lassen sich Kompetenzen und Fähigkeiten wunderbar erweitern. Dazulernen war noch nie falsch.
Aber solange Sie nicht von sich selbst überzeugt sind, können Sie es auch nicht von Ihren Zuhörern erwarten. Wenn Sie nicht an sich glauben, weshalb sollte es dann jemand anderes tun?
Niemand ist perfekt, doch grundsätzlich dürfen Sie eine positive Einstellung zu sich, zu ihrer Persönlichkeit und zu Ihren “Schwaechen” haben.
Sagen Sie einfach: “Ich bin okay.” Es ist Ihr wichtigster Schritt zum Meisterpräsentator.
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